Buchempfehlung: Mal Bares umdenken – mit Kunst

Der Vorteil beim langfristigen Denken ergibt sich aus dem Umstand, möglichst früh damit zu beginnen. Zur Bedeutung des Dialogs mit der Kunst. Meine Buchempfehlung: mal UNDENKBARES denken von Ulla und Heinz Lohmann.

»Vielleicht hätte er zu Beginn nicht so viel über Kunst reden sollen«, lautete das Feedback eines Teilnehmers beim Live-Talk unserer Social-Audio-Reihe der HEALZZ.community auf Linkedin. »Doch«, dachte ich reflexartig. Das einstündige Gespräch mit Prof. Heinz Lohmann anlässlich des bevorstehenden Gesundheitswirtschaftskongresses hätte sich für meinen Geschmack noch viel stärker um seine Initiative drehen dürfen, Kunst in den oft nüchtern gehaltenen Denkstrukturalismus der Branche einsickern zu lassen.

Vor mir liegt mittlerweile ein Buch mit dem Titel »mal UNDENKBARES denken« von Ulla und Heinz Lohmann. Vom Umschlag des Hardcovers springt einem der Titel etwas gestückelt gehalten entgegen. Die Silbe BARES sticht heraus, was mich gleich beim Titel dieses Blogs umdenken ließ. Primär nimmt man oft aus den vielen Gesprächen, Stellungnahmen, Positionspapieren und Forderungskatalogen, die in der Gesundheitswirtschaft herumgereicht werden, eines mit. Es geht in Gesundheitsfragen ums Geld. Auch das hat Heinz Lohmann mal gesagt: »Gesundheit ist kein Geschäft, aber es lässt sich ein Haufen Geld damit verdienen«. Deshalb reicht eigentlich der Titel mit dem Appell, Undenkbares zu denken. In Anbetracht, dass die gesundheitsbezogene Daseinsfürsorge aktuell wie jede andere Branche unter Druck gerät, Krankenhäuser jedoch die Last der Versäumnisse eines versäumten Umdenkens zusätzlich zu tragen haben.

In meiner zurückliegenden Funktion als Leiter Marketing und PR habe ich im Rahmen der durch mich betreuten Öffentlichkeitsarbeit viele Kunstauktionen in mir anvertrauten Krankenhäusern begleitet, diese geholfen, kommunikativ vorzubereiten und gelegentlich eröffnet, wenn der Chef mal nicht konnte. Das tat ihm stets sehr leid. Kunst im Krankenhaus steht unter Prestigeverdacht. Aber nicht nur das.

Kunst bietet eine Brücke im Bemühen darum, Medizin menschlich zu machen und ein Krankenhaus nahbar.

Der von Ulla und Heinz Lohmann ständig erneuerte Dialog der Branche mit der Kunst ist nicht nur eine willkommene Abwechslung. In meiner individuellen Wirklichkeit ist es ein Imperativ. Zwischen hinkender planwirtschaftlicher Gestaltung des Finanzrahmens und der Forderung nach mehr Wettbewerb im Feld der Medizin, bräuchte es für meinen Geschmack viel mehr Impulse für Kreativität, die dem Titel des Buches letztlich gerecht würde: »mal UNDENKBARES denken«.

Begegnungen beim Gesundheitswirtschaftskongress

Für mich beginnt das mit der Begegnung von gleich zwei Künstlerpersönlichkeiten, die im Buch ihren Platz gefunden haben. Falk von Traubenberg und Carmen Oberst erlebte ich jeweils auf unterschiedlichen Gesundheitswirtschaftskongressen in Hamburg. Zur Arbeit von Falk Traubenberg habe ich gleich eine Resonanz erfahren. Bei Carmen Oberst fällt mir das bis heute schwer. Ich formuliere das so klar, weil es für mich symbolisch dafür steht, dass die Auseinandersetzung (nicht nur) mit künstlerischer Arbeit auf unterschiedlichen Ebenen passieren muss. Das jetzt vorliegende Buch bringt mir anhand der darin abgedruckten Sammlung aus Texten und Fotos (zumeist Reden zur Eröffnung von Ausstellungen) die Arbeit der beiden Künstler deutlich näher, als es eine analoge Begegnung je möglich erscheinen ließ. Und es steckt noch viel mehr in dem Buch. Auf mehr als 280 Seiten dreht es sich um viele Jahrzehnte und noch viel mehr Künstlerinnen und Künstler. Ulla und Heinz Lohmann bieten Einblicke in Ihr seit den 1960er-Jahren fortwährendes Engagement für experimentelle Gegenwartskunst.

Die aktive Auseinandersetzung mit Künstlerpersönlichkeiten und ihrer Kunst erinnert mich dabei stark an die phänomenologische Auseinandersetzung mit dem Gesundheitsmarkt, die ich praktiziere und die mir gelegentlich genauso viel Mühe macht, um hinter das zu schauen, was mir da erscheint. Oft gelingt erst mithilfe des Abräümens augenscheinlicher Irrtümer und eines längeren darauf Herumdenkens eine tiefere Analyse. Das mit Kunst etwas anderes. Es geht eben nicht nur um Geschmack oder eine Deutung im Auge des Betrachters. Es geht darum, akzeptieren zu lernen, dass jemand anders denkt und seine Wirklichkeit einen Ausdruck erfährt. Das muss man nicht ablehnen, sondern darf es als Bereicherung verstehen, auch wenn die Resonanz zu einem (Lebens-)Werk sich erst später einstellt. Assoziationen nachzuspüren und Entdeckungen zu wagen ist nicht nur ein Zeitvertreib, sondern Tugend. Umso wertvoller empfinde ich dann die Denkergebnisse, die sich daraufhin einstellen. Egal, ob das ein kreativer Impuls in der Auseinandersetzung mit sich verändernden Gesundheitsmärkten ist oder ein Kunstwerk, das mit mir kommuniziert, obwohl ich nicht danach gefragt habe.

Zwischen Machertum und Undenkbarem

Manchmal hat man das Gefühl, etwas länger um Ecken zu denken, ist aus der Mode gekommen. Vor allem in der Gesundheitswirtschaft. So berichtete Heinz Lohmann im Gespräch auf Linkedin, ihm lägen Zuschriften vor, die ihn daran erinnern wollten, einfach mal zu machen und nicht so viel zu denken. Was diese Kritiken vergessen ist, dass unüberlegtes Machertum uns zum Beispiel in Fragen zur Digitalisierung in so manche Sackgasse manövriert hat. So schön Flanieren sein kann. Digitalisierung ist kein zufälliger Prozess und der Vorteil beim langfristigen Denken ergibt sich aus dem Umstand, möglichst früh damit zu beginnen.

So schließt sich auch der Kreis zum Dialog mit der Kunst. Kunst wird selten deshalb geschaffen, um daraus ein Produkt zu kreieren. Auch wenn das gelegentlich zu beobachten ist. Kunst denkt Dinge häufig voraus oder einfach mal aus einem anderen Blickwinkel und deshalb würde ich abschließend empfehlen, dass ein Umdenken nicht ein Denken in die gegensätzliche Richtung sein muss. Oft reicht ein Stupser, der uns in eine neue Perspektive katapultiert, von der aus Dinge urplötzlich machbar erscheinen. Auch ein geplanter Moonshot, die berühmte Metapher für disruptives Umdenken, korrigiert sich selbst mehrmals und doch geht es manchmal am Mond vorbei. Das Gelernte entsteht im Dialog mit den Problemen und wir beginnen dann von vorn, bleiben dran.

Suchen Sie sich selbst aus, welche früheren Glaubenssätze unter der Pandemie gefallen sind. Die Vorarbeit, dass das möglich wurde, haben auch jene Künstler geleistet, die kein Atelier haben, sondern einfach nur ein wenig andersartiger denken als der Großteil der Gesundheitswirtschaft, die einem Denkstrukturalismus anhängen. So verweist das Buch auch gleich an mehreren Stellen auf die berühmte Aussage von Joseph Beuys »Jeder Mensch ist ein Künstler«. Wollte ich das umdenken, brauchen wir vielleicht mehr Künstler und nicht mehr Kunst im Krankenhaus.

Damit möchte ich schließen und Ihnen das Buch »mal UNDENKBARES denken« wärmstens empfehlen. Es erscheint im medhochzwei Verlag, Heidelberg.

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