Die Gesundheitskultur steht an einem kritischen Punkt. Im Zeitalter einer Entwicklung hin zu einem stärker digital geprägten und medial imprägnierten Gesundheitsgeschehen, in dem Informationstransparenz stärker eingefordert wird, müssen Entscheidungen gefällt werden. Eine Entscheidung bestimmt den Umgang mit Transparenz zwischen professionell am Gesundheitsgeschehen Beteiligten und denen, die bei ihnen nach Rat suchen.
In einer nachträglichen Betrachtung des LinkedIn Social Audio Talks vom 17. Oktober 2023, moderiert von Günther Illert, Gründer des Netzwerks der Healthcare Shapers, entfaltet sich ein facettenreiches Gespräch über den Wert und die Konsequenzen von Transparenz im Gesundheitssystem.
Mina Lütkens und Dr. Ursula Kramer beleuchten die Frage gemeinsam mit dem Autor dieser Reflexion und ob eine erhöhte Transparenz für Versicherte die Rolle von Patienten stärken kann. Sie argumentieren, dass eine bloße Übertragung des Begriffs Flatratementalität auf das Gesundheitswesen nicht den tatsächlichen Bedürfnissen der Patienten entspricht. Stattdessen erfordert Gesundheit einen kooperativen Co-Kreationsprozess zwischen Arzt und Patient, geprägt von Kommunikation und Empathie. Diese Sichtweise, die sich auf das Wohl der Gemeinschaft und die Qualität der Versorgung konzentriert, steht im Widerspruch zu einem Marktmodell, das Gesundheit als Ware begreift.
Die Diskussion erkennt an, dass die Informationsasymmetrie zwischen Patienten und Therapeuten ein bestehendes Rollenbild zementiert, das Patienten marginalisiert. Mina Lütkens, Vertreterin von patients4digital, hebt hervor, dass Partizipation und Mitbestimmung durch Share-to-care Modelle gefördert werden sollten, die jedoch in der praktischen Umsetzung noch in den Kinderschuhen stecken. Das betonte sie so zuletzt schon beim Gesundheitswirtschaftskongress in Hamburg.
Die Rolle digitaler Technologien wird ebenfalls thematisiert. Trotz der Vorteile, die eine digitalisierte Gesundheitsversorgung bietet, bleibt die Qualität der menschlichen Beziehung zwischen Therapeut und Patient unerlässlich. Digitale Anwendungen sollten daher nicht als Allheilmittel verstanden werden, sondern als Werkzeuge, die menschliche Interaktion und Qualität im Gesundheitswesen unterstützen. Andererseits mahnt die Werkzeugmetapher zur Vorsicht. Schon der Buchdruck wurde in seiner Implikation auf Gesellschaft, Freiheit und Aufklärung unterschätzt.
Dr. Ursula Kramer betont die Notwendigkeit, die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung zu erhöhen, um eine selbstbestimmte Nutzung des Gesundheitssystems zu ermöglichen. Das kürzlich verabschiedete Krankenhaustransparenzgesetz und das geplante Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz sind Beispiele für politische Bemühungen, Transparenz und Servicequalität zu verbessern.
Das Fazit, das ich ziehe, ist klar: Qualität in der Gesundheitsversorgung entsteht durch Partizipation und nicht durch den Wettbewerb um Leistungsangebote. Transparenz allein kann das notwendige Vertrauen nicht ersetzen, welches im Kern jeder Gesundheitsbeziehung steht.
Dieses Essay fängt die Essenz eines dialogischen Austauschs ein, der die Prämissen des Gesundheitsmarktes hinterfragt und die Bedeutung von Transparenz, Partizipation und menschlicher Zuwendung in den Vordergrund stellt. Grundsätzlich benötigen wir mehr kulturoptimistische Perspektiven, als leidige Diskussionen im politischen Umfeld zum Aspekt der Flatratementalität. Dieser Text steht als Zeugnis für eine Gesundheitsphilosophie, die sich dem Wandel der Zeit stellt und auf das Fundament von Empathie und gemeinschaftlicher Verantwortung setzt.
Bereits am 14.08.2023 hatten wir in Anbetracht des Vorstoßes der CDU als Debatte im Sommerloch einen HEALZZ Stint auf LinkedIn dazu veranstaltet. Dieser Talk griff das Thema deshalb noch einmal auf und wir behalten die Entwicklungen dazu weiter im Auge.