Nach der Pandemie: von der Finanzierung bis Kommunikation von Krankenhäusern
Die Pandemie hat den Diskurs um eine solide Finanzierung des Krankenhauswesens in Deutschland verschärft. Jedes in den letzten Jahrzehnten vorherrschende Paradigma, sei es das Selbstkostenprinzip in den Siebzigern, die Budgetierung pauschalierter und leistungsbezogener Entgelte in den Neunzigern oder die seit 2003 geltenden DRGs, konnte Fehlanreize vermeiden. Eine Lösung könnte darin liegen, die Interessen der Patienten – ergo eine stärkere Patientenzentrierung – in Finanzierungsgrundsätzen zu berücksichtigen. Ein Mittel, das Patientenwohl zu messen, sind sogenannte Patient Reported-Outcome-Measurements (PROMs). Der Gesundheitsunternehmer Prof. Heinz Lohmann aus Hamburg fordert in diesem Zusammenhang die Harmonisierung des ambulanten und stationären Sektors. Eine Folge wäre, sich weniger an den Diagnosen als vielmehr an den Patienten zu orientieren; wenn man so will vom DRG zum PRG.
Das sagte der Präsident des Gesundheitswirtschaftskongress´ vor Kurzem in einem Interview, in dem es auch um den Fortschritt der Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen ging. So zeigte er sich erstaunt, wie selbstverständlich unter der Pandemie eingelenkt und die Zurückhaltung bei der Nutzung digitaler Lösungen aufgegeben wurde. Die aus der Notwendigkeit heraus „erzwungene“ Nutzung werde zum Normalfall. Kaum jemand würde nach der Pandemie zu alten Gewohnheiten zurückkehren wollen. Man werde die zügiger als zuvor akzeptierten Errungenschaften nicht mehr missen wollen.
Medizin und Management müssen enger zusammenrücken
Heinz Lohmann mahnt außerdem zu einem integrativen Stil im kaufmännischen Management. So muss die Medizin auch auf der kaufmännischen Seite stärker in den Fokus rücken. Schon allein das ebne den Weg, sich stärker mit ethischen Fragen auseinanderzusetzen. Die oben erwähnten Fehlanreize wurden oft nach dem Prinzip Hauptsache die Kasse stimmt, ausgenutzt. Dieses Scheuklappen-Management muss aufhören und die Digitalisierungsbemühungen der Krankenhäuser dürfen weiter zunehmen, um den gesamten Behandlungsprozess mit den Vorzügen einer industriellen Digitalisierung zu optimieren. In diesem Zusammenhang spricht er vor allem die nach wie vor fehlende Interoperabilität an. Erst sie normiere den Umgang und damit die Nutzung von Gesundheitsdaten.
Unternehmenskultur in Krankenhaus kein Thema für Sonntagsreden
In den nächsten Jahren sei eine tief greifende Veränderung des Gesundheitssystems zu erwarten. Der Begriff einer Stärkung der Patientensouveränität steht zwar schon seit rund 15 Jahren im Raum, dominiert allerdings noch nicht wirklich den Diskurs in sich verändernden Gesundheitsmärkten. Auch für Heinz Lohmann stehen wir am Beginn einer Zeit, die durch Transparenz die beginnende Patientensouveränität erst ermögliche. Das habe mit den Entwicklungen den vergangenen Jahren eher wenig zu tun. Zwar lässt die Anwesenheit des Internets professionelle Gesundheitsakteure immer noch aus der Stresstoleranz kippen. Und das allein dadurch, dass die Patientinnen und Patienten eine sie umgebende Matrix aus Gesundheitsinformationen nutzen. Tatsächlich verlagert sich Transparenz auch im Kontext einer fortschreitenden Globalisierung des Gesundheitsgeschehens durch immer mehr zur Verfügung stehender Daten auf ein neues Level.
Künftig gehe es verstärkt auch um Fragen der Unternehmenskultur und das beginne mit reflektierten Führungskräften, die das Thema nicht als Schönwetterdiskussion abtun dürften.
Tatsächlich stehen wir am Ende der Pandemie wieder vor der Frage, ob sich das deutsche Gesundheitswesen in seinen grundsätzlichen Strukturen überhaupt noch paradigmatisch verändern lässt. Die nächste Legislaturperiode wird Reformen bringen. So viel scheint sicher. Doch wie lassen sich traditionell schwerfällige Gesundheitsreformen mit radikalen Marktveränderungen vereinbaren?
Das deutsche Gesundheitswesen gerät mutmaßlich in den nächsten Jahren international verstärkt unter Druck. Dort, wo die datengestützte Medizin dezentralisiert werden kann. Wo noch länger OP-Teams gebraucht werden und die Anwendung komplizierter Medizintechnik durch ausgebildetes Personal an der Tagesordnung ist, dauert es naturgemäß länger. Doch, auch hier sickern pre- und poststationäre Versorgungsszenarien in das Gesundheitsgeschehen ein. Die angesprochene Patientensouveränität greift häufig, bevor der Touchpoint eines Krankenhaus in Sichtweite kommt. Das beginnt mit der Allgegenwart von Gesundheitsinformationen und endet noch lange nicht bei der Kommerzialisierung von Labordienstleistungen, digitalen Gesundheitsanwendungen in Patientenhand und der Ambulantisierung stationärer Leistungen eines Krankenhauses. In den nächsten Jahren erleben wir mit der Medialisierung in Folge der Digitalisierung eine kaskadenartige Verschiebung zahlreicher Leistungsbereiche, die heute noch das Brot und Butter Geschäft von Gesundheitseinrichtungen sind. Medizin bezog gesellschaftliche Veränderungen stets auf sich selbst und die medial geprägte Gesundheitsgesellschaft wird die Convenience, egal wie schwer man erkrankt sein mag, ins Zentrum der Bedürfnisse rücken.
Die entstehenden Umsatzlücken bei Versorgern durch das Einmischen agiler Geschäftspraktiken mutmaßlich gut etablierte Tech-Konzerne macht vielen Experten Sorgen. Hintergrund ist die eingangs besprochene Finanzierung des Gesundheitssystems und tatsächlich wird hier nicht helfen, weitere öffentliche Gelder einzufordern, um sich (mit Heinz Lohmann gesprochen) noch mehr Paragrafen einzuhandeln.
Die von Heinz Lohmann eingeforderte unternehmerische Kreativität darf sich nicht zu stark an absatzorientierten Geschäftsfeldern orientieren. Der Güte an Mitwirkung jener Menschen, die das Gesundheitswesen benötigen, am Ausgang einer in Anspruch genommenen Leistung in Krankenhäusern und Arztpraxen ist Rechnung zu tragen. Gesundheit oder besser gesagt die Kompensation von Krankheit ist etwas, das bestenfalls gelingt und als co-kreativer Akt anderen Gesetzmäßigkeiten unterliegt als der Verkauf eines Konsum- oder Luxusguts. Das zusammen mit dem Anspruch einer durchgehenden Betreuung lässt an international längst salonfähige Concierge-Modelle denken.
Integratives Marketing im Krankenhaus
Als solches müsste Marketing, derzeit als Teil des Managements stiefmütterlich akzeptiert und viel zu häufig überfordert, stärker mit der Leistungserbringung verzahnt werden. Damit ist auch gemeint, Medizin und Pflege aus kommunikationstechnischer Sicht als gleichwertig anzuerkennen. Bestenfalls ergibt sich eine Trias aus Medizin, Pflege und Kommunikation, die sowohl auf der Ebene der individuellen Betroffenheit im Falle eines Krankenhausaufenthalts als auch in der Öffentlichkeit gemeinsam wirken.
Die Peers eines Krankenhauses, unterschiedliche Patienten-Communities der Einrichtung, werden häufig mit Botschaften traktiert, anstatt den Dialog mit der Öffentlichkeit zu suchen. Krankenhäuser dürfen verstehen, dass sie derzeit Gefahr laufen zur Reparaturanstalt am Rande der Gesellschaft zu mutieren, anstatt die Spielräume zwischen den Megatrends Zukunftsmedizin, Gesundheitsgesellschaft, Gesundheitsbeziehungen und Gesundheitskompetenz zu besetzen.
Einer dieser Spielräume bietet die Chance, die Resonanz im Gespräch mit Gesundheitsmärkten zu erzeugen, die für organisationale Resilienz sorgt, weil sich echte Reputation aufbaut. Eine auf Krisenkommunikation ausgerichtete Unternehmenskommunikation ist nicht imstande, das zu leisten. In dieser Art Dialog ist eine andere Tonalität und Online-Rhetorik gefragt als im Krieg gegen redaktionellen Verriss und falschen Interpretationen einer gereizten Öffentlichkeit.
Man könnte es auch so sagen. Was die falschen Anreize in Finanzierungsfragen ist in der Unternehmenskommunikation die Annahme, es gehe nur noch um das Vermeiden und Verwalten von Krisen.
Wer künftig in Richtung Präzisionsmedizin denkt, muss auch präzise kommunizieren und das bedeutet, dass auch die medizinperiphere Kommunikation kein Thema für Sonntagsreden sein kann, sondern Teil der Leistungserbringung sein muss. So sollten Gesundheitseinrichtungen sich an einer Progression von Gesundheitskompetenz beteiligen und als Stifter für konzeptuelle Gesundheitsbeziehungen in Erscheinung treten, die diese Progression sinnvoll etablieren.
Was Heinz Lohmann im Interview zur Finanzierung ausspricht, überträgt sich auf das Vermögen eines Krankenhauses, sich aktiv mit dem Markt auseinanderzusetzen. Diese Auseinandersetzung gelingt vor allem dann, wenn nicht eitler Erwägung in den Markt gerufen wird, sondern der Markt selbst gestaltet wird.
Ansonsten laufen Krankenhäuser tatsächlich Gefahr, als Reparaturanstalten am Rande der Gesellschaft ihr unterfinanziertes Dasein zu fristen.