Ich beginne diese philosophische Revue der Wissensarbeit nicht ohne Grund mit der Stetigkeit. Der Begriff erinnert mich an die Ausdauer, auf die wir gleich noch zu sprechen kommen. Zunächst möchte ich sagen dürfen: Dieser Beitrag markiert ein neues Schreibprojekt in diesem Blog. Hoffentlich wird es von Stetigkeit getragen. Man muss das nicht wissen. Ich beschäftige mich seit Jahrzehnten mit persönlicher Wissensarbeit. Einerseits hinsichtlich der technologischen Aspekte im Rahmen meines persönlichen Informationsmanagements. Andererseits und ausgerechnet wegen der kaum Schritt haltenden Veränderungen in der Arbeitskultur.
Ich schaue auf das Phänomen der Wissensarbeit mit subjektivem Empfinden entlang gelegentlich auftauchender, medialer Überforderung, die uns die heutige Informationsflut beschert. Dennoch bewundere ich, auf welches Wissen ein einzelner Mensch heutzutage zugreifen darf. Die Folge ist ein Wissensparadox, das schon Plato umtrieb und dessen Ausruf »oîda ouk eidōs« immer falsch übersetzt wird.
Ich weiß, dass ich nicht weiß.
So heißt es richtig. Das kann einen in den Wahnsinn treiben. Denn Wissen verändert in der Regel unser Verhalten. Nicht immer. Aber Wissen, das Verhalten nicht verändert, ist nutzlos. Wissen, das Verhalten verändert, verliert seine Bedeutung. Deshalb muss es immer erneuert werden. Und weil wir mit immer mehr Wissen ahnen, dass wir gar nichts wissen, braucht es eine tätige Auseinandersetzung mit den eintreffenden Informationen. Wissen, das sich beim Erscheinen erst einmal als das Wissen anderer zeigt und für uns zunächst nicht mehr sein kann als Information.
Ich könnte in diesem Projekt über die Tränen sprechen, die unsere orientierungslose Zeit mannigfaltig erzeugt. Das will ich aber nicht. Es darf etwas tiefer reichen in die Überlegungen, von denen ich noch niemandem erzählt habe.
In dieser Revue, die ich versuche einmal wöchentlich zu vervollständigen, geht es mir nicht um den nächsten Trend im Projektmanagement. Es geht mir um Inspiration, mit Blick auf die Wissensarbeit in der Lebenswirklichkeit des Einzelnen. Egal, in welcher Rolle man gerade unterwegs ist. Ich selbst fühle mich bisweilen affektiv betroffen von zu viel Informationen, die (m)einen Geist überfordern können. Und dann ist da noch das Denken, die Nachdenklichkeit, das Sinnieren, mit hoffentlich wenig Grübeln.
Kurz, in dieser Serie stellen wir uns gemeinsam die Frage: »Wie bekomme ich alle Informationen aus meinem Kopf irgendwohin und dort wieder heraus, wenn ich es gerade gebrauchen könnte. Und welche Tugenden der Wissensarbeit benötige dafür?
Stetigkeit am Beispiel von WORDL
Widmen wir uns zunächst der Stetigkeit, der kleinen Schwester der Ausdauer. Wer ein Vorhaben plant, wägt normalerweise ab, ob er es schafft. Neben der intellektuellen Selbstauskunft spielt der Faktor Zeit eine entscheidende Rolle. Dieses Abwägen vollziehen übrigens auch diejenigen, die heute vollmundig Ihr grandioses Machertum postulieren. Von wegen einfach mal machen. Neben meinen eigenen gescheiterten Vorhaben sehe ich gerade online sehr viel Liegengebliebenes. Davon wollen wir uns frei machen.
Die Stetigkeit ist ein guter Ratgeber. Sie hat das Potenzial, uns ins Staunen zu versetzen, wie ausdauernd wir sein können. Lassen Sie mich das anhand des Online-Spiels WORDL aus Österreich näher erläutern.
Ich nutze ein technisches Hilfsmittel, um meine Notizen zu organisieren. Wir werden über die Software später in dieser Serie noch mehr hören. In der Software habe ich eine kleine Datenbank angelegt, die sich sehr einfach über das Smartphone pflegen lässt. Ich habe mich beim Spielen daran gewöhnt, alle Wörter mit fünf Buchstaben dort einzutragen. Das dauert gar nicht lange und führt jetzt nach wenigen Monaten zu dem Ergebnis, dass ich eine große Sammlung dieser Begriffe habe.
Überhaupt begründet sich der Erfolg des allseits bekannten Spiels darin, dass selbst an einem vollen Tag im Kalender Platz ist, das Spiel zu gewinnen. Daraus ergibt sich für viele Spieler eine Stetigkeit, die sie nicht wissentlich angestrebt haben. Die Aussicht auf eine kurze Ablenkung in Tateinheit mit einem sehr wahrscheinlichen Erfolgserlebnis, lässt uns WORDL spielen und das erlaubt sich einfach. Deshalb konditioniert sich das Spielen. Und es spielen alle. Wirklich alle spielen WORDL.
Mein Motiv, die kleine Datenbank mit mir herumzutragen, hat trotz hunderter Begriffe noch nicht dazu geführt, dass ich Großmeister im WORDL geworden wäre. In der Familie werde ich eher als durchschnittlich begabt angesehen. Dennoch hat sich eine gewisse Freude entwickelt, wie viele fantastische Begriffe ich mit fünf Buchstaben mein Eigen nennen darf. Denn mit der Tugend der Stetigkeit hat sich ein kleiner Schatz ergeben, den ich immer wieder betrachten darf.
Damit kommen wir zum Geheimnis der Stetigkeit, die als eine Tugend der Wissensarbeit in dieser Revue einfließen soll. Wer stetig an einer Sache arbeitet, der kommt in kleinen Schritten zum Ziel. Stetigkeit fördert Ausdauer und das Ergebnis. Und Stetigkeit erinnert sehr wenig an die Vieltuerei, von der wir omnipräsent umgeben sind. Sogar dann, wenn in der Wissensarbeit kein Ende in Sicht ist. Über den Sinn von Wissensarbeit sprechen wir aber später.