Um sich dem Begriff suffizienter Kommunikation zu nähern, erzählen wir weiter unten eine kleine Anekdote. Tatsächlich hat gelingende gesundheitliche Versorgung stets Kommunikation und seine Ziele als ersten Berührungspunkt. Suffizienz hat mehrere Bedeutungen. In Kommunikationstheorien taucht er noch selten auf.
Wir klären deshalb zunächst, was Suffizienz genau meint und kommen aus der Anekdote heraus zu unseren ersten Überlegungen.
Was bedeutet Suffizienz?
Suffizienz bezeichnet im Gegensatz zur Effizienz nicht die Optimierung von Prozessen und Ressourcen, sondern die Reduktion des Verbrauchs oder Inanspruchnahme der selbigen. Es geht dabei um die Frage, wie viel von einer Ressource wirklich benötigt wird und wie dieser Bedarf auf eine nachhaltige Art und Weise gedeckt werden kann, um ein wirklich lohnendes Ziel zu erreichen.
Eine Ressource beschreibt sich meist vielfältig. Geldmittel, eingesetzt werden können, sind eine Ressource. Rohstoffe und Güter sind in materiellen Zusammenhängen und der Produktion wichtige Ressourcen. Ein in Zeit messbarer Aufwand, der erzeugt wird, bedient eher immateriellen Aspekte, was trotzdem und ganz sicher eine der zentralen Ressource sein kann. Egal, wohin wir schauen. Selbst Informationen und Wissen dürfen als Ressource bezeichnet werden. Nicht zuletzt kennt das Prozessmanagement den Prozess, der eine Ressource darstellen kann. Die logische Abfolge, die ein wünschenswertes Ziel kennt, ist eine Ressource. Nicht jeder denkt hierbei intuitiv an die Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU), um ein Beispiel für eine Prozessressource zu beschreiben, über die sich hinsichtlich ihrer Ausgestaltung trefflich streiten ließe.
💡 Während Effizienz darauf abzielt, mit möglichst wenig Ressourceneinsatz ein bestimmtes Ziel zu erreichen, geht Suffizienz noch einen Schritt weiter und hinterfragt das Ziel selbst. Sie stellt die Frage, ob das Ziel wirklich notwendig oder sinnvoll ist und ob es nicht alternative Wege gibt, dieses Ziel zu erreichen.
Suffizienz kann somit als Ergänzung zur Effizienz verstanden werden, um eine nachhaltige und zukunftsfähige Entwicklung zu fördern. Strategisch geht es dabei um langfristige Ziele; ergo eine Kommunikationsstrategie kennt Kommunikationsziele, die über einen Affekt hinausreichen und langfristige Parameter ins Auge nimmt. Im Granulat der Einzelkommunikationen spielt Suffizienz dann eine wichtige Rolle. Denn wir entscheiden, ob eine Pressemeldung, ein Tweet und sogar der gute alte Anruf zielführend ist für die Ziele, die wir uns gesteckt haben.
Kommen wir jetzt zu der Anekdote, die exakt so passiert ist.
Die Anekdote
In einem Krankenhaus trug sich folgende Geschichte zu. Dem Geschäftsführer wurde berichtet, dass aus technischer Notwendigkeit Thermoskannen, die auf den Stationen der Klinik zum Einsatz kommen, ausgetauscht werden sollten. Sie waren in die Jahre gekommen und entsprachen schon länger nicht mehr den Anforderungen, die an die Hygiene für ihren Einsatz gestellt wurden. Der Geschäftsführer des Krankenhauses beauftragte die Stabsstelle Marketing & PR damit, eine Pressemeldung vorzubereiten. Mit der sollte kundgetan werden, dass die ausgemusterten Kannen einem Flüchtlingsheim zugeführt würden. Das Krankenhaus leiste so einen über die eigentliche Aufgabe als Gesundheitseinrichtung hinausreichenden Beitrag zur Bewältigung der im Jahre 2015 diskutierten sogenannten Flüchtlingskrise.
Eine fabulierte Hochrechnung der Geschäftsführung ergab, dass es sich um rund 800 Thermoskannen handeln müsse und diese Anzahl rechtfertige, die Abgabe der Gefäße öffentlich kundzutun. Ziel der Kommunikationsmaßnahme war es, mithilfe des Zeitgeschehens den Faktor der Anerkennung auf die Reputation des Krankenhauses zu vereinnahmen. Der Leiter der Stabsstelle sondierte sodann die Lage, wies aber bereits bei Annahme des Auftrags darauf hin, dass die geplante Meldung den Austausch der Kannen an sich kommuniziere. Das zu diesem Zeitpunkt schon mehrere Jahre versäumte Projekt war aus finanziellen Gründen und mangels Engagement und Tatendrang lange aufgeschoben worden, sollte jetzt aber mit höchster Dringlichkeit vollzogen werden. Die Stabsstelle argumentierte deshalb, der Umstand könne Fragen in der Öffentlichkeit aufwerfen, warum a.) degradierte Thermoskannen für Flüchtlingsheime weniger bedenklich zu sein scheinen und b.) ob die Absicht nicht allzu billig und opportunistisch interpretiert werden könne.
Die Aufgabe jedoch sollte eingehend geprüft und ein erster Entwurf für die Pressemeldung erstellt werden.
Im Zuge einer gereizten Diskussion zum Umgang mit dem Aufkommen höherer Flüchtlingszahlen, das Ziel zu formulieren, durch die Spende ausrangierter Teekannen gelebte soziale Verantwortung eines Krankenhauses zu dokumentieren, wurde im Laufe der Gespräche zunehmend fragwürdig. Technisch gesehen wurden die Kannen ausgetauscht, weil sie seit mehreren Jahren nicht mehr adäquat desinfiziert werden konnten, was ihre Abschaffung letztlich überfällig erscheinen ließ. Die Weiternutzung einzelner Kannen in privat zu verantwortlichen Umgebungen wäre sicherlich denkbar. Eine Situation in einem Flüchtlingsheim kann sicher nicht dazu gezählt werden.
So kam es letztlich auch so, dass in Abstimmung zwischen Public Relations und Hygienemanagement des Krankenhauses die Zahl der verantwortlich zu veräußernden Kannen auf zehn Stück Kannen begrenzt wurde. Damit waren die Ansprüche an eine suffiziente Kommunikation erfüllt.
- Genügsamkeit und Maßhalten im Rahmen zu planender Kommunikationsmaßnahmen, sich also nicht in Rolle und Bedeutung in Handlungsfeldern, die nicht im Zentrum der eigenen Leistungsfähigkeit stehen, überschätzen.
- Realistische Einschätzungen über den Sinn und Unsinn einer Kommunikationsmaßnahme vornehmen. Nicht versuchen, soziale Verantwortung falsch zu verstehen, sondern sich um die eigenen Werte bemühen, falls es im direkten Umfeld noch aussieht, wie auf einer Baustelle.
- Gesundheitseinrichtungen verzichten bewusst auf absatzorientierte Kommunikationsrituale (plump werbliche Maßnahmen). Reputation nährt sich durch den progressiven Ausbau leistungsnaher Kommunikationsangebote oder auch der Progression von Gesundheitskompetenz, die sich an den Leistungsgruppen des Krankenhauses orientiert.
Suffiziente Kommunikation und Nachhaltigkeit
Bis zum Zeitpunkt einer Entscheidung gegen die Veröffentlichung der Spende von Thermoskannen, die selbst selbstverständlich nicht einmal mehr für die selektierten zehn Kannen stattfand, waren dennoch zahlreiche Ressourcen verschwendet worden.
- Die Zeit des Geschäftsführers aufgrund weltfremder Vorstellungen und schlechter Informationslage bei der Anzahl der Kannen.
- Die Dauer bis zur Einschätzung der Sachlage durch den Mitarbeitenden in der PR-Abteilung und die Ablenkung wichtiger Unternehmensbereiche für eine affektiv inkontinent verlangte Kommunikationsidee.
- Die Abstimmung zwischen PR und Marketing: E-Mail, telefonische Rücksprache, Wegezeiten zur Sichtung der Kannen usw.
- Die Suche nach einem Zeitfenster zur Erörterung der Entscheidung, besser nicht zu kommunizieren.
In diesem Beispiel steht nicht nur Zeit als Ressource im Mittelpunkt. Die Belastung der vorgehaltenen Kommunikationsmittel oder die Verletzung des Vorankommens in wichtigeren Fragen und Projekten zu Steigerung der Reputation des Hauses waren weitere Belastungen durch einen insuffizienten Anspruch die Ressourcen Stabsstelle. Aufgrund grundsätzlich zu hoher Arbeitsverdichtung im Rahmen der Entscheidungsfindung konnten wichtige Eckpfeiler für eine gelingende Kommunikation unter den hier Beteiligten zuletzt schon kaum sorgfältig genug besprochen werden. Die eher affektive Vorgehensweise ließ die Kommunikation letztlich insgesamt scheitern und das Wohlwollen der Geschäftsführung, sich strategisch suffizienter Kommunikation zuzuwenden, wurde erneut auf unbestimmte Zeit vertagt, was wiederum Ressourcen verschwendete, ohne dass ein besseres Ziel ins Auge gefasst wurde.
Suffiziente Kommunikation meint also auch den nachhaltigen Umgang mit in der Krankenhaus-PR oder im Gesundheitsmarketing häufig wenig Ressourcen. Das unterscheidet Gesundheitseinrichtungen jeder Größe von absatzorientierten Märkten, was üblich erscheint. Tatsächlich mag man hier und dort auf Missverständnis treffen, wenn PR im Krankenhaus so betrieben würde, als folge man einer üblichen Logik von Wertschöpfung und Wachstum.
Nachhaltig ist hier in Anlehnung an die ökologische Begründung gemeint, nur so viel natürliche Ressourcen in Anspruch zu nehmen, wie im Rahmen einer Kompensation zumutbar erscheint, wird zunehmend wichtig. Einfacher ausgedrückt: »Fälle immer nur einen Baum, wenn Du schon zuvor einen neuen gepflanzt hast«. Ein Green Hospital ist also gut beraten, durch gelingende Maßnahmen zu glänzen und nicht durch manipulative Kommunikation auf den Umstand aufmerksam zu machen, dass man sich ökologisch verantwortlich verhält.
Suffizienz bei Kommunikationsentscheidungen reicht – wie oben bereits formuliert – über die Facetten der Effizienz hinaus und widmet sich möglichst früh kritisch dem Kommunikationsziel. Effizient kommuniziert, wer im Umgang mit der Öffentlichkeit verantwortungsbewusst handelt und langfristige Überlegungen zum Nutzen einer Kommunikation anstellt. Suffiziente Kommunikation ist darüber hinaus auch konsistent im Sinne von nachvollziehbar und überprüfbar. Das Kommunikationsziel sollte zur Leistungsfähigkeit und den Werten einer Gesundheitseinrichtung passen. Sodann kann suffiziente Kommunikation als der Sache angemessen und ausreichend deklariert werden.
Übrigens. Suffiziente Kommunikation wirkt gelassen und beseelt Gemüt und Geist der gereizten Gesellschaft, die zwischen dem Müll an herumliegenden Nonsens-Informationen und Schlagzeilen nicht auch noch das eigene Krankenhaus dabei beobachten will, wie es sich um Kopf und Kragen redet.