Ich bitte gleich mal um Verzeihung für den abgedroschenen Möbelkettenspruch, der mich für die Überschrift dieses Beitrags wieder einmal assoziativ angesprungen hat. Sorry.
Schreiben als Technologie ist ja bekannt. Vom Schreiben zum Zeichnen, Malen oder das Nutzen einfacher Sketchnotes ist es nicht weit. Wir alle lieben das Graphic Recording auf Veranstaltungen. Gibt es das eigentlich noch? Obwohl niemand länger als fünf Minuten hinschaut, ist unsere Bewunderung groß. Sie gilt nur nicht der Tapete und dessen Inhalt, sondern dem Zeichner oder der Zeichnerin, die mit einem Maximum an Auffassungsgabe eine ganze Veranstaltung zeichnen kann. What?
Tagebuch schreiben ist gesund, zeichnen nur krasser
Stell Dir das mal bitte vor für Deinen Tag. Welches Bild würdest Du von heute zeichnen? Schreibst Du überhaupt Tagebuch? Klassisch oder als geführte Option? Ich habe hier wirklich alle Konzepte liegen, die in den vergangenen Jahren erschienen sind. Sie alle haben zum Ziel, uns in die Achtsamkeit zu entführen. Entschleunigung ist ein anderer Begriff. Was diese Bücher für mich nicht leisten, ist die Tatsache, dass ein weißes Blatt Papier immer noch Angst machen kann. Auch wenn die Konzepte ein Grid zur Verfügung stellen, das den Einstieg erleichtert. Erklärbärtexte gehöre dazu. Alles soll ganz einfach sein. In die Kästchen und die Linien muss dann trotzdem hinein, was uns am Tag konfrontiert oder glücklich gemacht hat.
Den Sprung vom Schreiben zum Zeichnen eines Tagebuchs scheint gigantisch für all jene, die nicht einmal eine Zeile zu Papier bekommen. »Nein«, sagt Britta Ullrich, Autorin des Soulshine-Sketchnotes Buch-Duos. Sie hat gleich zwei Bücher veröffentlicht. In dem einen erklärt sie, warum Du Dein Tagebuch tatsächlich zeichnen solltest und wie Dir das möglichst einfach gelingt. Das andere Buch ist Dein Tagebuch, in dem Du Deine Tage und Momente skizzieren darfst.
Tagebuch unter Krankheit
Gemeinsam hatten Britta und ich deshalb die Idee, den Ansatz mal in das Umfeld von Krankheit zu schubsen. Viele professionell am Gesundheitsgeschehen Beteiligte bestellen das Buch-Duo für ihre Patientinnen und Patienten. Wie ist das, wenn man in Krankheit geworfen wird oder bereits in einer chronischen Situation steckt? Die Lebenswirklichkeit ist dann stets eine andere. Das persönliche Umfeld, egal wie zugeneigt und empathisch es ist, reicht dann oft nicht oder erfasst die individuelle neue Wirklichkeit einfach nicht ausreichend. Die innere Einkehr, die Einsicht in das, was gerade geschieht, benötigt allerdings dringend Raum, ja einen eigenen Platz.
Das Tagebuchschreiben unter Krankheit ist ein bemerkenswertes Instrument, das tiefe Einblicke in unsere inneren Anteile ermöglicht, und es wird von Psychologen oft als eine Art Selbstgespräch angesehen. Insbesondere die Möglichkeit, ein Tagebuch zu zeichnen, öffnet eine faszinierende Dimension der Selbstreflexion. In diesem Zusammenhang erlaube ich mir, auf das Projekt von Britta Ullrich hinzuweisen. Es unterstützt den Einstieg in die Praxis, sein Tagebuch zu zeichnen. Das bereits angesprochene Buch-Duo, bestehend aus einem einführenden Buch in die Idee des Tagebuchzeichnens mit Sketchnotes und einem Tagebuch, das selbst gestaltet werden kann, überzeugt mich auf den ersten Blick.
Die Autorin bietet nicht nur Einblicke in die Entstehung der Idee, sondern auch Anleitungen, wie mit einfachen Strichen und Formen ansprechende Zeichnungen gelingen, um den Tag zu reflektieren. Dieses kreative Element des Tagebuchführens ermöglicht eine tiefere Verbindung zu den eigenen Gedanken und Gefühlen, die während einer Krankheit auftreten können. Kreativität und Psychologie gehen einen Bund ein. »Bilder sind mächtiger als reine Worte«, erklärt mir Britta.
Tagebuch und Gesundheitskompetenz
Besonders relevant ist die Verwendung von Tagebüchern im Rahmen der Therapiebegleitung oder während eines stationären Krankenhausaufenthalts. Mit der Gesundheitskompetenz steht es in Deutschland ja nicht gut. Ich erspare Euch eine Aufzählung der Versäumnisse, die da beginnen, dass die Förderung von Einsichten in eine Krankheit oft nicht bezahlt wird. Gesundheitsinformationen konzentrieren sich häufig auf die Abwehr von Gefahren vor einer Operation oder sollen eine bestimmte Therapie verkaufen. Ich weiß, das ist nicht immer so und ich beobachte mit Eifer, welche Projekte sich anders engagiert zeigen.
Dabei könnten Krankenhäuser dieses Buch-Duo in ihre Programme integrieren, um die Progression der Gesundheitskompetenz zu leisten, die wir dringend nötig hätten. Ich betone stets, die soziale Verantwortung steht im Namen eines Krankenhauses; manchmal in großen Leuchtbuchstaben über dem Haupteingang. Das Tagebuch-Duo, so stelle ich mir das vor, kann allgemein im Rahmen der stationären Aufnahme an Patienten gereicht werden. Vielleicht setzt man es auch nur indikationsorientiert ein, zum Beispiel im Rahmen psychoonkologischer Unterstützungsleistungen. Individuelle Bedürfnisse klären sich so vielleicht einfacher und Heilungsprozesse erhielten eine zusätzliche Absicherung.
Wie Dankbarkeit – nur krasser
Wer schreibt, liest sich selbst
Es ist wichtig anzumerken, dass das Tagebuchschreiben und -zeichnen über Jahrhunderte hinweg eine historische Bedeutung erlangt hat. Deshalb betrachte ich das als Technologie. Denn Technik in praktischer Anwendung hat nicht immer etwas mit digitalen Szenarien zu tun. Persönliche Aufzeichnungen jeder Gattung sind oft zu wichtigen Dokumenten ihrer Zeit geworden, die Einblicke in das Leben und die Gedanken vergangener Generationen bieten. Egal, ob es sich dabei um ein Tagebuch handelt oder einfaches Sudeln, um sich der Wirklichkeit zu nähern.
Doch der eigentliche Wert des Tagebuchschreibens liegt darin, dass die Person, die es führt, sich selbst liest. Es ermöglicht eine tiefere Verbindung zu den eigenen Gedanken, Gefühlen und Erfahrungen, und trägt so zur Selbstreflexion und persönlichen Entwicklung bei. In guten und in schlechten Zeiten – und dann ganz besonders – ist das Führen eines Tagebuchs eine wertvolle Möglichkeit, sich selbst besser zu verstehen und in Kontakt mit unserer eigenen Geschichte zu bleiben. Was mit dem Schreiben begann, erfährt jetzt eine logische Ergänzung. Und wer unter Krankheit ein Tagebuch zeichnet, ist gezeichnet; hoffentlich nicht nur von der Krankheit, die den Menschen gerade festhält.
💡 Ich habe Britta Ullrich gebeten, an einer der nächsten ZEITGESCHENK+ Open Foresight Sessions auf Linkedin teilzunehmen. Sobald hier ein Termin in Aussicht steht, lassen wir es Dich wissen. Folge mir gern auf LinkedIn, um den Termin nicht zu verpassen oder besser noch. Alternativ abonniere den ZEITGESCHENK+ Kanal auf Whatsapp.