XING möchte nicht zurück auf die Straße

Ein offener Brief an die ehemaligen Botschafter von XING reflektiert die Nostalgie und die Zukunft der Plattform. Die Transformation von XING wird immer noch diskutiert und die Bedeutung echter persönlicher Begegnungen scheint hier eine Rolle zu spielen. Ich teile mit Euch meine persönliche Herangehensweise an die Nutzung von XING in Zukunft.

Ich habe hier einen offenen Brief, der sich an die ehemaligen Botschafter dieser Plattform richtet. Er ist schon unterwegs als Nachricht in einer Community, in der sich diese Zunft immer noch regelmäßig trifft. Der Entschluss, ihn mit meinen Lesern auf XING News zu teilen, falle ich jetzt, wo uns XING nicht nur eine neue Startseite schenkt, sondern damit auch die bislang schuldig gebliebene Auskunft, was wir künftig unter XING zu verstehen haben.

Bevor wir zum offenen Brief kommen. Dieses Zitat aus dem Lied »Mit 18« von Marius Müller-Westernhagen fällt mir spontan ein.

Ich möcht zurück auf die Straße, Möcht wieder singen, nicht schön, sondern geil und laut, Gold find' man bekanntlich im Dreck, Und Straßen sind aus Dreck gebaut

In unserer Gruppe aus Ex-Ambassadors hatte ich einen Kurzfilm geteilt, der eine Straßenbefragung am Potsdamer Platz zeigt. Der Film entstand als Aufgabe im Rahmen eines Ambassadortreffens in Berlin, bei dem wir uns im Rahmen eines Wettbewerbs kreativ Gedanken um künftige analoge Formate der Begegnung machen durften. Thema war die Überlegung, als vertikal adressierte Branchengruppe in Kooperation mit den horizontalen Regionalgruppen Lunchtermine für Geschäftsleute anzubieten.

Gefangen zwischen Nostalgie und Zukunft

Das von mir geteilte Video erreichte eine interne Auseinandersetzung unter den Alumni, die zwei Seiten derselben Medaille offenbarte. Die erste Facette ist jene der Nostalgie, der wir gern auf den Leim gehen. Der zweite Aspekt ist die Zukunft als ehemaliger Ambassador und der Plattform, die für viele damals Treiber für den persönlichen Erfolg war.

Der offene Brief

Liebe Ex-XING-Botschafter und all jene, die XING mehr als nur nebenbei nutzten,

ich schließe mich Jochen E. an und freue mich immer wieder, wenn ich von dem ein oder anderen höre. Zuletzt hat mich Frank F. hier oben auf dem Berg besucht. Auch das regelmäßige Erscheinen der ganzen Gruppe (oder Teile davon) im Netz aufgrund unseres besonderen Grads der Verbindung wundert mich immer wieder und dann doch nicht. Diese Stetigkeit eines Beweises der Akteur-Netzwerk-Theorie ist beeindruckend.

Das macht es sicher einigen schwer, die positiven Erinnerungen an das »Goldene Zeitalter« von XING loszulassen. Und damit komme ich zur Idee, die Transformation von XING zu akzeptieren und die eigene Identität auf der Plattform künftig neu zu denken.

Ich habe zuletzt für mich die Rolle der sozialen Medien und insbesondere der sozialen Netzwerke geklärt, die mich lange begleitet haben. Dabei ist mir aufgefallen, was wir alle lange so nicht wahrhaben wollten.

XING war und bleibt eine »Geschäftsrealität (-1)«. Keine Plattform reicht an die Wirklichkeit niemals nicht heran. Es bleibt eine parallel zum eigentlichen Leben installierte Sozialität, die auf den eingeschränkten Grundlagen des Internets basiert. Unsere Treffen in Hamburg und anderswo in Europa waren ein Ausflug im wahrsten Sinne des Wortes. Ein Ausflug aus der digital konstruierten Vernetzung.

Der zuletzt geäußerte Missmut zum Umbau von XING projiziert sich in erster Linie auf folgende Erkenntnis.

XING sprengt hinter sich die Brücken der Verständigung dieser Art und Güte. Das ist alles recht, wenn da nicht unsere Nostalgie wäre.

New Work SE hat sich entschlossen, aus XING ein Monster oder Stepstone oder Gulp zu machen, das in seinem limbischen System immer noch einen hohen Grad an digitaler Vernetzung nachweisen kann. Darin mag man einen Wettbewerbsvorteil erkannt haben. Als ehemaliger Mitarbeiter einer Sourcing-Plattform klingt der Schritt aus dieser Perspektive fast schon wieder logisch. Nur gibt es aktuell eben kein kontingentes Angebot mehr, zwei unterschiedliche Wirklichkeiten miteinander in Kontakt zu bringen. XING fehlt künftig die von uns über Jahre konditionierte und erfahrene Triangulation, also die tätige real sozioökonomische Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit. XING wird jetzt zur Ikone, die den Fachkräftemangel der nächsten Jahre spiegelt. Der Austausch zwischen virtuell und real orientiert sich allein am künftigen Mangel. Das hat mit der Straße, mit Treffen von Botschaftern der Plattformen und mit Branchen- und Regionaltreffen und der dazugehörigen Gruppen nichts mehr zu tun. Vielleicht ist das ein logischer Schritt. Das kann ich nicht beurteilen. Nur eines.

Es wäre wichtiger denn je in diesen Zeiten der großen Gereiztheit, echte persönliche Begegnungen zu provozieren. Womöglich resultiert daher der Schmerz, den nicht nur die ehemaligen Botschafter dieser Plattform spüren. Andererseits ist es nachvollziehbar, dass sich das Personalkarussell für das neue XING Geschäftsmodell zu schnell drehen muss, um entschleunigte Offline-Events zu berücksichtigen.

Disrupt Yourself auf XING. Als kleine Anregung, will ich kurz berichten, wie ich persönlich meine Identität auf XING gestalten werde.

Ich werde bei XING nicht mehr das suchen, was ich mit Euch fand.

Ich werde XING nutzen, um Jobs in Projekten zu suchen, die meinem Gusto entsprechen. Damit ist gemeint, dass ich meine unter der Pandemie begonnene Weiterentwicklung hier ab sofort klarer herausstelle und das beginnt mit diesem Brief an Euch, den ich bei XING News als Insider veröffentliche.

Bisher habe ich nicht herausgefunden, wie man als Freiberufler in meiner Branche des Gesundheitsgeschehens mit einem auf Diskurs angelegten Profil gefunden wird und ob ein es sich noch lohnt, dort unterwegs zu sein. Das wusste ich in den ersten Tagen bei XING im Jahre 2004 allerdings auch nicht. Wir werden sehen. V

Vor einigen Monaten sollte mir den Status als XING Insider entziehen, weil ich mit 275 veröffentlichen Artikel zuletzt nicht mehr fleißig genug war und keine Ressourcen für meine Betreuung bereitstünden. Nach dieser Betreuung habe ich nie gefragt und sie bisher auch nie erfahren. Daher konnte ich das argumentativ abwenden und werde jetzt versuchen, beide Ansprüche miteinander zu harmonisieren. Tatsächlich hatte das alles latent auch mit meiner persönlichen Auslastung und der nicht nachvollziehbaren Neuausrichtung von XING zu tun. Das darf mit diesem Brief als abgeschlossen betrachtet werden und so wende ich mich auch hier meinen neuen Disziplinen zu, die ich demnächst vorstellen werde. Falls das nicht mein letzter XING-Insider-Artikel gewesen ist.

Ich hoffe, die Einblicke in meine Gedankenwelt sind hilfreich und helfen einigen, die noch nostalgisch veranlagt sind, wenn es um XING geht, einen Weg zu weisen.

Viel Erfolg Euch, …

Dieser Beitrag erschien ursprünglich auf XING News.

Folge diesem und anderen Artikeln über HEALZZ MAG

Besuche unsere Fokusseite und kommentiere diesen und andere Beiträge auf HEALZZ MAG.

Wir sind auf Instagram

Vielleicht findest Du diesen Artikel auszugsweise auf Instagram. Bewerte und teile ihn gern auch dort.

META

Weitere Artikel

NOOZ

Warum ein GPT Dein Leben bereichern kann

Heute am Tag feiert ChatGPT seinen ersten Geburtstag. Ein GPT-Modell (Generative Pre-trained Transformer) ist eine Art von künstlicher Intelligenz, die auf maschinellem Lernen basiert. Wann ...
HEALZZ MAG

Das Gesundheitswesen, der Riesenhirsch und das Gefangenendilemma – eine kulturoptimistische Einordnung des aktuellen Zustands des Diskurses

Die Entscheidung, das Krankenhaustransparenzgesetz an den Vermittlungsausschuss zu übermitteln, wirft Fragen hinsichtlich der Diskursfähigkeit der beteiligten Akteure auf. Dieser Artikel versucht sich an einer kulturoptimistischen ...
NOOZ

Es ist, wie es ist und warum Du trotzdem kreativ sein darfst

Wenn Frustration als Treibstoff dient und daran die Erkenntnis hängt, dass Dein Leben sich erst einmal selbst verändern muss, damit Du etwas bewegst.
NOOZ

Werden, wer Du bist

NOOZ ist eine persönliche Antwort auf die Lust und Freude, sich selbst zu bestimmen, und lädt dazu ein, eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Konzept des ...